KARLSBAD
Den berühmten Kurort verbindet nicht nur der Name mit einem der bedeutendsten böhmischen Herrscher, sondern auch die Legende über die Gründung des Ortes. Der Sage nach soll ein Hirsch, den er jagte, den König zu den Thermalquellen geführt haben.
Tatsache ist, dass Karl IV. im Jahr 1358 unweit des in eine Höhe von 15 m emporschießenden Sprudels ein Jagdschlösschen errichten ließ, in dem er mehrfach weilte. Die Überreste des Schlösschens bilden heute den Kern des prismenartigen Turms auf dem Schlossberg, von dem aus alljährlich die festlichen Fanfarenklänge zur Eröffnung der Saison ertönen. Sein Ansehen, den Ruhm als Bäder- und Kulturzentrum errang Karlovy Vary erst an der Wende des 18. zum 19. Jh., als zahlreiche europäische Persönlichkeiten den Kurort mit Vorliebe aufsuchten.
Das Zentrum des Kurbetriebs sind nach wie vor die Mühlkolonnade, der Marktplatz, wo ein Relief an die Entstehungsgeschichte erinnert, die Schlosskolonnade, auf die stolz die Ruinen des Jagdschlosses Karls IV. herabblicken, und der „Sprudel“ selbst. Die malerische Kulisse dazu bildet der barocke Dom des Prager Baumeisters Dientzenhofer.
Die Schönheit der Landschaft, die Eleganz der Sanatorien und Villen, die sich harmonisch den Terrassen der Hügel anpassen, die romantischen Pfade, poetisch nach Künstlern benannt, die hier geweilt haben (Chopin, Beethoven, Michiewicz, Turgenev, Gogol, Dvorak...) bezaubern den Besucher.
Hervorragenden Ruf haben darüberhinaus Karlsbader Porzellan, Glas der Marke Moser, Karlsbader Oblaten und die inoffizielle „Dreizehnte Quelle“, der original Becherovka-Likör.
Der Karlsbader Kaffee
Die Geburtsstunde des Karlsbader Kaffees dürfte um die Wende des 18. Jh, im Zeitalter Goethes, gelegen haben. 1683 mussten die Türken vor Wien ihren gewohnten Kaffeeproviant zurücklassen, der nun säckeweise den Wienern ein neues „Lebensgefühl“ - das Kaffeetrinken - bescherte. Gewiss fand der neue Genuss bald auch einen Weg nach Karlsbad, nicht als „türkischer Mokka“ sondern als ein neues, geheimnisumwittertes Getränk, das schon morgens serviert, Inbegriff eines Karlsbader Frühstücks und einer Karlsbader „Jause“ wurde.
Niemand ergründete sein genaues Rezept, an dem das Wasser der Quellen, ein Zusatz - „Zichorie“ genannt - ein bestimmtes Abbrühen und das Filtern im „Kaffee-Sackel“ maßgeblich beteiligt waren. Kein Wirt gab sein Geheimnis preis, und niemals wurde es in Kochbüchern gelüftet. Man hütet das Aroma, die Kaffeeprovenienzen und deren Mischungen bis zum heutigen Tage.
Wer schon morgens seine Schritte zum „Posthof“, „Freundschaftssaal“ oder „Kaiserpark“ lenkte, dem wurde der duftende Kaffee mit reschen gebräunten Kipferln, Ei und Kurschinken mit Butter und Milch aus der Hammerner Molkerei von freundlichen Mädchen gereicht. Solch eine Frühstücks-Komposition, inmitten blühender Rhododendren und Rosenbeete, unter schattigen Bäumen, mit der andächtigen Ruhe einer unberührten Natur, brachte den Gast dem Geheimnis dieses königlichen Getränks näher. Dieses nicht Greifbare, nicht wägbare, das Karlsbad ausstrahlte, schenkte dem Gast erst die Fähigkeit, sich dem Gebotenen gelöst und schwärmerisch hinzugeben. Und wer am Nachmittag dem Impromptu von Schubert oder einer Bruckner-Symphonie lauschte, dem wurde der Kaffeegenuss zum großen Erlebnis.
Die Karlsbader Oblate
Die Herkunft der „Karlsbader Oblate“ liegt im Dunkel der Geschichte. Soviel erzählt die Tradition, dass die Hausfrauen schon vor 1800 verstanden, Oblaten zu backen. Sie wollten damit den Kurgästen eine schmackhafte, leicht verdauliche Krankenkost vorsetzen.
1827 wanderte Barbara Nasler aus Lubenz zu, heiratete 1854 den einzigen Polizisten Michael Bayer und begründete die erste Karlsbader Oblatenbäckerei. Von ihr weiß man sozusagen amtlich über das häusliche Oblatenbacken. Erst durch einen besonders feinen Teig, mehr Zucker und edlere Gewürze zwischen den beiden Scheiben, erhielt die Oblate ihre Vollendung, die ihren späteren Ruf begründete. Die Backplatten wurden mit der Gravur „Karlsbader Oblaten - Barbara Bayer“ versehen, und in kurzer Zeit fand die fein getönte, resch gebackene, nach Mandeln schmeckende Oblate Anklang und Absatz.
Kaiser Wilhelm I. schätzte sie zum täglichen Frühstück und verlieh der tüchtigen Frau den Titel einer Königlich-preußischen Hoflieferantin. Noch zu Lebzeiten kaufte sie das Haus „Novarra“ am Wiesenberg, nach ihrem Tode baute ihr ältester Sohn Karl 1887 die Bäckerei weiter aus und vergrößerte die Werbung. Die ansprechenden runden Blechhüllen mit Karlsbader Wahrzeichen begleiteten viele Kurgäste in ihre Heimatländer. Karl Bayer wurde spanischer, russischer, holländischer, serbischer, rumänischer, bayerischer und 1899 auch österreichischer Hoflieferant. Kaiserin Elisabeth besuchte den „Geschäfts-Salon“ der Firma und ließ sich Oblaten nach Miramare und Korfu schicken. Sie bat um einen Schokoladenüberzug à la Pieschinger, wofür der Hof ihre Lieblingsschokolade lieferte.
Die „Abschnittln“, in Egerländer Mundart „Oschniela“ genannt, der Abfall vom Rande der Stanze, erfreuten sich bei den Buben der Nachbarschaft großer Beliebtheit; konnte man doch vor dem Ersten Weltkrieg schon eine ganze Menge dieses „köstlichen Abfalls“ erwerben.
Der Karlsbader Becherovska (Becherlikör)
1805 überließ ein angesehener englischer Arzt namens Dr. Frobring dem Bürger Josef Becher anlässlich eines Kuraufenthaltes ein Rezept, nach dem schon 1807 der bald berühmte „Karlsbader Becherovska“ fabrikmäßig hergestellt wurde. Josef Becher, ein Neffe des Badearztes Dr. David Becher, betrieb laut amtlichen Urkunden schon seit 1794 die Erzeugung von Spirituosen.
Becherovska, ein Magenlikör, völlig frei von gesundheitsschädlichen Stoffen, gestützt auf zahlreiche ärztliche Gutachten, empfahl sich direkt als Medikament bei Störungen im Magentrakt und auf Grund seiner hervorragenden Eigenschaften als wirksames Hausmittel. Die Firma blieb bis 1945 ein Familienbetrieb, der sich von Sohn auf Sohn vererbte.
In allen Staaten war „Becherovska“ mit seiner Originalverpackung geschützt, auf Ausstellungen gab es höchste Preise, deren Krönung die „Goldene Medaille“ der „Internationalen Hygieneausstellung“ in Dresden war. Auch die Kurgäste, die strengen Regeln folgen mussten, durften sich dieses Magenelixiers erfreuen, und es gab ihnen das Gefühl, ein wohlschmeckendes „Klostergeheimnis“ zu trinken, zu genießen, ohne bereuen zu müssen.
138 Jahre lang war der Becherovska der Welt bester Magenlikör. Nach 1945 war der Name nicht mehr geschützt und die Familie versuchte in Kettwig/Ruhr einen neuen Beginn. Nach einigen Jahren starb sie aus, und das Unternehmen wurde von „Underberg“ erworben.